Café Größenwahn

Sybil Volks

Café Größenwahn

Das Café Größenwahn ist im Berlin des Jahres 1912 der Treffpunkt der Boheme. In der überhitzten Atmosphäre des Cafés sucht der junge Eugen Hofmann Anschluss an die Künstlerkreise. Besessen verfolgt er sein Ziel, ein berühmter Dramatiker zu werden. Geldnot und sein eigener Größenwahn führen Eugen auf die kriminelle Bahn – von Hochstapelei über einen Raub bis zum fast perfekten Mord im Hotel Adlon.

„Ein atemberaubendes Porträt einer versunkenen Welt, stringent erzählt, stilistisch überzeugend vom Anfang bis zum Ende.“ Begründung der Jury für die Nominierung des Romans für den Glauser-Preis 2008 als bestes Krimidebüt.

Autorenporträt

5198Sybil Volks lebt als freie Autorin und Lektorin in Berlin. Sie hat zahlreiche Erzählungen und Gedichte in Zeitschriften und…
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Leseprobe Café Größenwahn

Café Größenwahn“, historischer Kriminalroman von Sybil Volks, Berlin 2007 (3. Aufl. 2013)
Copyright Jaron Verlag, Berlin

Der Geldbote ist gegangen, lebendig, mit seiner Tasche. Nun haben sie beide drei Tage gewonnen, der Bote Butterweck und er selbst. Eugen zieht die Vorhänge auf und schaut aus dem Fenster des Hotel Adlon. Warum hat er ihn bloß nach seinem Namen gefragt? Es tötet sich leichter, wenn der Mensch namenlos bleibt. Und dann dieser Name! Es scheint schon wieder eine Farce zu werden, sein Drama. Vielleicht sollte er die Aufführung abblasen. Noch ist es nicht zu spät.

Von Unruhe ergriffen, verlässt Eugen mittags das Hotel. Im Foyer herrscht Trubel. La belle Otéro, die weltberühmte Tänzerin, zieht mit ihrem Gefolge ins Adlon ein, und zu diesem Gefolge gehören neben achtunddreißig Koffern und ihren Kammerzofen auch ein Papagei, ein Perlhuhn, zwei Möpse und eine siamesische Tempelkatze. Die Otéro wird das Personal des Adlon in den kommenden Tagen in Atem halten, denkt Eugen, ebenso gut wie Kaiser oder Zar, ein mittleres Erdbeben oder eine Revolution. Und das kann ihm nur recht sein.

Ohne Ziel spaziert Eugen durchs Brandenburger Tor in den Tiergarten. Er biegt in die Siegesallee ein, die flankiert von zweiunddreißig weißen Hohenzollern-Standbildern auf die Siegessäule zuläuft. In der Frühlingssonne sind am Samstag vor Ostern viele Spaziergänger unterwegs, Familien, Mütter und Ammen mit hochrädrigen Kinderwagen, junge Paare, die Arm in Arm über die Wege schlendern. Ein Fahrradfahrer kurvt um sie herum und singt Puppchen, du bist mein Augenstern …

Frühling ist eine ungeeignete Jahreszeit für einen Mord, geht es Eugen durch den Kopf. Im November, da kommt es einem fast natürlich vor. Vielleicht sollte er warten bis zum Herbst, den Sommer mit Maxi genießen. Und einen anderen Boten wählen. Er ist noch so jung, dieser Emil Butterweck, kaum älter als er selbst. Lebenslustig ist er und liebenswürdig. So lustig und liebenswürdig, wie er es nie sein wird. Am Ostersonntag fällt die Morgensonne im Hotel Adlon auf das bronzene Bettgestell. Obwohl die Versuchung groß ist, lässt Eugen sich das Frühstück nicht aufs Zimmer bringen. Die Hotelangestellten sollen ihn so wenig wie möglich zu Gesicht bekommen. Umso weniger werden sie sich später an ihn erinnern. Er holt sein Manuskript Geldboten aus dem Koffer, greift nach dem Füllfederhalter und schreibt: Keine Postanweisung, keine Spur. Keine Pistole, kein Blut. Dann notiert er: Methoden, lautlos zu töten: ?

Während er grübelnd im Zimmer hin und her geht, erinnert sich Eugen daran, wie er vor dem ersten Überfall das Fesseln und Knebeln geübt hat. Das Töten kann man nicht üben. Vielleicht wird es leichter, wenn man es schon einmal hinter sich gebracht hat. Das erste Mal muss man es einfach tun.

„In ihrem Krimi Café Größenwahn schildert Sybil Volks, wie hier Literaten die Tische erklimmen und „Kellner, hört die Signale!“ brüllen. (…) nicht nur historisch wie psychologisch interessant – es ist einfach lustvoll erzählt.“
Alexandra Mangel, Deutschlandradio Kultur, 30.7.2007

„Geschickt lässt die Autorin das historische Berlin auferstehen und mit ihm ein vitales Künstlercafé, in dem neben Berühmtheiten der Zeit auch der Mörder seine Heimat hat. Wer Spaß hat an weniger Action, dafür mehr Zeitgeist und Finesse, der sollte Café Größenwahn lesen. Unbedingt empfehlenswert.“
Ute Hempelmann, NDR Kultur „Neue Bücher“, 11.7.2007

“Sybil Volks verwebt die Kulisse des Künstlercafés mit zwei historisch verbürgten Morden an Geldboten, einer davon fand im Adlon statt.“
Daniela Martens, Tagesspiegel, 12.4.2008

„Perfekt recherchiert und vollendet literarisch umgesetzt entsteht hier eine vergangene Welt plastisch vor dem Auge der Leserin. Mit Raffinesse verarbeitet Volks eine historische Mordserie an Geldboten, das Hotel Adlon wird zum Schauplatz, sogar der Untergang der Titanic spielt eine zentrale Rolle. Ein historisches Krimidebüt vom Feinsten.“
Lisa Kuppler, Virginia Frauenbuchkritik, Oktober 2007